Werte für Körpermaße und deren Verteilungen verändern sich im Laufe der Zeit, daher sollten die anthropometrischen Daten aktuell sein. Liegen keine aktuellen Daten vor, dann sollten die älteren Daten unter Berücksichtigung aktueller Trends verwendet werden. Sind Einschränkungen z.B. für Verstellbarkeitsbereiche notwendig, dann sollten diese jeweils bei Längen-, Breiten- und Umfangsmaßen für den Bereich der unteren Perzentilwerte vorgenommen werden; mögliche Zuschläge hingegen eher für den Bereich der oberen Perzentilwerte.
Körpermaße verändern sich im zeitlichen Vergleich von einer Generation zur anderen. Dieses als säkularer Trend oder auch säkulare Akzeleration beschriebene Phänomen wird allgemein durch verbesserte Umweltbedingungen erklärt, die das Wachstum im Kindesalter beeinflussen. Faktoren sind beispielsweise eine bessere Qualität der Ernährung und eine verbesserte Gesundheitssituation bei Kindern und Jugendlichen; weitere Faktoren werden ebenfalls diskutiert.
Die Zunahme der Körperhöhe im Generationenvergleich von bisher ca. 11 mm je Dekade bei Männern und 9 mm je Dekade bei Frauen innerhalb der letzten 150 Jahre ist wesentlich durch ein verstärktes Wachstum der Langknochen in den Beinen bedingt. Parallel sind auch die Langknochen in den Armen, den Händen und den Füßen im Vergleich zu früheren Generationen länger. In der Konsequenz führt dies zu veränderten Körperproportionen insbesondere im Verhältnis von den Beinen zum Rumpf, aber auch in anderen Körperregionen. Die jungen Erwachsenen von heute sind im Durchschnitt vergleichsweise größer als früher, und sie sind auch größer als die Erwachsenen mittleren und älteren Alters von heute. Zudem haben sie die längeren Beine und sind damit im Vergleich zu den Älteren nicht nur größer, sondern auch eher Sitzzwerge.
Diese akzelerationsbedingte Zunahme der Längenmaße verlangsamt sich derzeit in den Industrieländern (nachfolgende Abbildung). Die Entwicklungsbedingungen, die das Wachstum und damit auch die Körpermaße beeinflussen, sind optimal, so dass das genetisch vorgegebene Körperhöhenmaximum zunehmend erlangt wird.
Die Zunahme der Umfangsmaße (z.B. Taillenumfang, Hüftumfang, Bauchumfang) und weichteilbedingter Breitenmaße (z.B. bideltoidale bzw. größte Schulterbreite, Körpersitzbreite) hält hingegen unvermindert an (nachfolgende Abbildung). Dieser Trend ist durch die Disbalance von ernährungsbedingter Energieaufnahme und mangelnder Bewegung verursacht.
Für die meisten ergonomischen Anwendungen werden erst Veränderungen im Bereich ab 1 cm relevant. Bei welchen Körpermaßen die Grenzen für die (noch) zu empfehlende Verwendung älterer Daten liegen, hängt im Wesentlichen vom Tempo der oben beschriebenen Veränderungen ab. Als Faustregel kann gelten, dass längenbezogene Körpermaße in der Regel nicht älter als 25 Jahre sein sollten. Bei der gegenwärtig beobachteten Veränderung von Breiten- und Umfangsmaßen können schon jüngere Daten veraltet sein. Bei sicherheitsrelevanten Anwendungen sind auch geringere Veränderungen durch Einbeziehung möglichst aktueller Daten zu berücksichtigen (siehe Beispiel KAN-Gutachten zum Prüffinger).
Da die Veränderung von Körpermaßen zum einen stark durch Veränderungen der Umweltbedingungen und damit auch vom Verhalten der Menschen (Bewegungsverhalten, gesundheitsbewusste Ernährung usw.) abhängt und zum anderen zumindest bei Umfangsmaßen auch reversibel sein kann, ist eine Hochrechnung nicht möglich. Wie in DIN SPEC 33402-5 "Ergonomie - Körpermaße des Menschen - Untersuchung der Verfahren zur Hochrechnung und Abschätzung von Körpermaßdaten" ausführlich erläutert, lassen sich zukünftige Umweltbedingungen nicht vorhersehen und der damit verbundene Einfluss auf Körpermaße ebenfalls nicht. Eine eventuelle Hochrechnung von Körpermaßdaten kann daher immer nur eine relativ unsichere Schätzung bleiben.